Agrartechnik

Manche (wahrscheinlich die Meisten) Denkanstöße passieren eher zufällig.
Der Anstoß zu diesem Thema war so ein Zufall: Mein Nachbar wollte die Laura, meine Lieblingskartoffel, nicht mehr anbauen!

zu Hause

Wir schreiben das Jahr 2022, seit 17 Jahren wohne ich jetzt hier auf dem Land, - sehr auf dem Land:
Es gibt hier rund 20 Einwohner, etwa 150 Rinder, ein paar Hühner, Schafe und Schweine und ringsum jede Menge Kartoffel, denn hier ist "Kartoffelland"", Einzugsgebiet eines sehr großen Herstellers von Kloßteig und anderen Kartoffelprodukten.

OK- dann mach ichs halt selbst...
Wie es geht habe ich ja schon oft genug gesehen, zum Setzen waren noch genug Knollen vom letzten Jahr übrig und Platz war auch da. Also (mitte April) ab in die Erde damit.

Kartoffelkäfer und Gelege

So etwa zwei Wochen später waren sie dann da, die ersten grünen Blätter, - und mit ihnen die Käfer.

Stimmt, die gibt es ja auch noch, - und den damit verbundenen (nicht ganz unumstrittenen) Spritzmitteleinsatz.
Spritzmitteleinsatz wollte ich natürlich nicht, weshalb die Käfer und deren Gelege von Hand entfernt wurden. Bei 50 Pflanzen geht das: Ein kleiner Spaziergang alle Abend und gut ist. Wird aber nach 2 Wochen (oder bei schlechtem Wetter) auch nervig. Und: Wie könnte man dem Problem "Kartoffelkäfer" bei ein paar Hektar Fläche und etlichen tausend Pflanzen Herr werden ?
Also erst mal viele Gespräche mit den Nachbarn geführt, im Internet recherchiert, Fachliteratur gewälzt und den einen oder anderen "bio Tip" probiert, - weniger wurden die Käfer aber nicht wirklich dadurch...
Es folgten weitere Diskusionen mit den Nachbarn, ich hörte Klagen (und sah an den Pflanzen) dass die neuen Spritzmittel immer weniger Wirkung zeigen, der Ertrag sich dadurch immer weiter verringert. Meine Kartoffelpflanzen standen da im Vergleich zu denen der Profis richtig gut, das manuelle Entfernen der Käfer und vor allem der Gelege zeigte doch Erfolg, - geht aber halt nur bei ein paar Quadratmetern...
Also muss ein Maschinchen her, dass das automatisch erledigt. Wieder viel recherche im Internet, - gibt es aber nicht... Noch nicht mal in Fernost...

Also wieder:
Dann mach ich's halt selbst!
Aber wenn schon dann gleich richtig: Das Gerät soll selbstständig arbeiten, mit Solarstrom angetrieben werden, selbstverständlich nur Kartoffelkäfer und deren Gelege entfernen und natürlich auch "open source" sein damit jeder es nachbauen kann.

Es ist 2023 geworden, - Herbst 2023...

Erstes Fahrgestell

Der Einstieg hat jetzt doch etwas gedauert, es galt erst mal noch jede Menge an Infos zu sammeln und eine erstes Konzept zu erstellen.
Es gibt aber auch Fortschritte zu vermelden:
Ein erster, noch sehr einfacher, Prototyp des Fahrgestells ist fertig und hat die ersten Feldversuche hinter sich. Der Teil der Software, der für das Fahren am Kartoffelfeld zuständig ist, macht schon fast was er soll: Das Fahrgestell hällt inzwischen die Spur, so dass immer ein Beet überfahren wird. Die Spur wird auch gehalten wenn das Beet einen Bogen beschreibt und das Fahrgestell bleibt am Ende des Beetes stehen.
Nächste Aufgabe: Dem Crawler lernen am Ende eines Beetes in einen Bogen das nächste Beet anfahren.

Mitte November 2023


Nach einigen Pannen (die gehören dazu...) der aktuelle Stand:
Bei den Versuchen dem Crawler das Wenden beizubringen hat einer der beiden Antriebsmotore das Handtuch geworfen, war wohl doch etwas zu schwach...
An dieser Stelle musste ich dann doch von meiner Taktik "nimm was Du 'rumliegen hast" abweichen und neue, stärkere Motore anschaffen.
Wenn schon neue Motore, dann, wegen deutlicher Vorteile bei Leistung und Stromverbrauch, auch gleich "brushless". Für die BLDC's musste dann die Software angepasst werden, - so kam Eines zum Anderen...
Weil ich schon mal dabei war, erhielt auch die Stromversorgung ein kleines Update: Von 13,8 V Nennspannung auf 18,4 V, - eine Konfiguration die keine Regeltechnik zum Laden der Akkus erfordert und sich seit einigen Jahren in meinem Wohnmobil bewährt hat. Den Aufbau dieser Konfiguration werde ich bei Gelegenheit in der Rubrik "Solarenergie" vorstellen.

Die Kartoffel sind inzwischen alle geerntet und ich kann die Fahrversuche leider nicht mehr in natürlicher Umgebung durchführen.
Um nicht zu viel Zeit zu verlieren habe ich aus Karton ein paar "Kartoffelbeet Dummys" gebastelt. Funktioniert zwar nicht perfekt weil der Karton den Ton der Ultraschallsensoren anders reflektiert als der Ackerboden, aber ich kann indoor weiter an der Software feilen.

Mittlerweile ist es Februar 2024 geworden, - der Winter beginnt zu schwächeln und so langsam kann wieder an die Fortführung der Fahrversuche im Freiland gedacht werden. Die ( zum Glück für die Natur ) doch sehr verregneten Wintermonate haben eines deutlich gezeigt: Eine Maschine für den Außeneinsatz sollte aus wetterfesterem Material als (unbehandeltem) Sperrholz gefertigt sein...

Die vergangene Regenzeit wurde deshalb vorrangig dazu genutzt
ein wetterfestes Fahrgestell zu entwerfen
an der Antriebstechnik zu feilen
und erste Versuche mit der Software für die Käfererkennung durchzuführen

Konzept Fahrgestell


Das Bild links zeigt das Konzept des Fahrgestells.
Ja, sieht etwas hochbeinig aus, ist aber so nötig um die Pflanzen nicht zu schädigen.
Um den "Käfersammler" möglichst einfach nachbaubar zu gestalten wurde der Rahmen aus üblichem Alu Systemprofil geplant. Für den Antrieb setze ich weiterhin auf "Raupe", - der bisher verwendete ( und eigentlich nur als Provisorium missbrauchte ) Zahnriemen hat sich inzwischen so gut bewährt, dass ich auch weitere Fahrversuche mit einem Solchen durchführen werde.
Die Antriebsmotore werden in die (Zahn) Radnaben wandern, sie sind dort gut geschützt und platzsparend untergebracht, der Raum oberhalb der Antriebe ist für die Unterbringung der Antriebsbatterien vorgesehen und ein PV Modul als Dach sorgt für den nötigen Energienachschub.

Crawler mit montierten Kameras


So ganz ausgedient hat der Prototyp 2 aber deshalb noch nicht.
Wie oben schon geschrieben: Der Crawler (irgendwann brauch' ich mal einen Namen dafür...) soll ja nur die Kartoffelkäfer, seine Eier und eventuell (wenn die Rechenleistung reicht) auch noch seine Larven bekämpfen.
Damit das gelingt, muss der Rechner aber erst mal wissen wonach er suchen soll. Dafür brauche ich Bilder, sehr viele Bilder, - von den Käfern, den Eipaketen und den Larven und in allen möglichen Ansichten.

Ein paar Hundert Bilder von von kleinen Objekten in Bodennähe zu schießen ist jetzt mal keine tolle Aufgabe, vor allem dann nicht, wenn man das Krabbelalter doch schon eine ganze Weile verlassen hat.

Aber ich habe da ja ein Fahrzeug, welches in der Lage ist die Kartoffelbeete selbstständig ab zu fahren. Ein paar kleine "Microcomputer" mit Kamera hatte ich schon angeschafft, 4 davon wurden am Crawler montiert.
Auf den Boards läuft eine Software welche das Beet kontinuierlich fotografiert. Auf Basis der so gewonnen Bilder wird im nächsten Schritt ein Rechenmodell erstellt mit welchem die Käfer, Eier und Larven auf einem live Videostream erkannt und deren Position an die Microcomputer zurückgeliefert werden soll. In der Praxis (auf dem Acker) eine Erkennungsrate von mehr als 90% zu erreichen ist, neben dem Bau eines ersten allerwettertauglichen Fahrgestells, die Zielsetzung für die "Kartoffelsaison" 2024...